Die D.Klar-Stiftung und das Johannishaus

Die D. Klarstiftung in Belgard

Beilage zu „Der Hinterpommer“, Nummer 65

Freitag, den 18. März 1927

Der Gesamtkomplex, D.KLAR-Stiftung und Johannishaus

Ein Rundgang durch die D.Klar-Stiftung

„Ein klarer Märztag, verführerisch sandte die Frühjahrssonne ihre ersten Strahlen auf die noch erstarrte Erde. Einen ausnahmsweise glücklichen gelinden Tag hatten wir uns ausgesucht, um unseren angekündigten Besuch der „Klarstiftung“ abzustatten.

Auf einem Fuhrwerk ging es in schlankem Trabe zum Tore hinaus, vorbei an den Kasernen der Reichswehr und an den Kolonnen der Wasserleitungsarbeiter. Schon von weitem grüßte uns der schlanke Turm des Neubaus der gesamten Anlagen der Stiftung.

Welche Gedanken bewegten uns beim Anblick der Anstalt? Erziehungshaus für die Jugend und Rettungshaus für Trunkenbolde. Alle möglichen Beispiele für die vergebliche Arbeit, für die falsche Methode dieser Art dieser Rettungsanstalten, gingen uns durch den Kopf. Doch wir werden uns ja überzeugen, wie alles gehandhabt und behandelt wird.

Schon hält das Fuhrwerk vor der Pforte der Anstalt. Mitten im Felde der Arbeit umgeben von schmucken wohlgepflegten Anlagen, liegt der schlichte und doch stolze Bau mit seinen Nebenanlagen. Schon die Umgebung verrät jedem Uneingeweihten, hier regiert eine ordnungsliebende feste Hand. Von dem Hausverwalter, Vater PASCHEKE, wurde uns ein „herzlich Willkommen“ geboten. Nach einer kurzen Information begann der Rundgang.

Das Erdgeschoss:

Im Erdgeschoss, die kleine schmucke Kapelle, bestimmt für das seelische Wohl der Anstaltsbewohner zu sorgen, schlicht und doch schmuck mit ihren bunten in Blei gefassten Fenstern. Im Büro, dem Raum, wo alle Fäden der Verwaltung zusammenlaufen, werden wir nochmals von den Helfern der Anstalt begrüßt. Weiter dort öffnen sich die Türen zum Baderaum.

Die Kapelle der Stiftung

Der Baderaum:

Der Baderaum, hell, frisch und luftig. Für die großen Jungen die Brause, für die kleineren die Wannen. Reinlichkeit ist einer der Hauptfaktoren solcher Unternehmen. Die Korridore sind rings rum mit Bildern hübsch geschmückt. Im ersten Stockwerk sind die Schulräume.

Die Schulräume:

Es gab Tages-und Speiseräume. Die Anstalt besitzt nur 4 Klassenräume mit drei Lehrern, außerdem eine Hilfsschule, wie sie nicht einmal Belgard hat und einen Werkunterricht. Die Klassenräume sind hell, freundlich und geräumig, wie wir sie in unseren gesamten Volksschulen wünschten. Weiter führt uns der Weg bis hinauf ins Dachgeschoss. Vorher werfen wir noch einen Blick in die hellen, luftigen Schlafräume.

Die Betten stehen in Reih und Glied, glatt gezogen mit wollenen Decken belegt. Die Kleineren liegen zusammen und die Größeren unter Aufsicht eines Helfers. Im Dachgeschoss befindet sich die Regimentskammer. Dort lagern die Vorräte an Kleidungsstücken jeder Art, alles geordnet.

Nachdem wir uns die neue Errungenschaft der Anstalt, den neuen Teich, angesehen haben, der demnächst eine Fischzucht aufnehmen soll, geht es hinüber in das Johannshaus.

Das Johannishaus:

Das Johannishaus war jene Anstalt, welche uns einen Einblick in manches Elend gewähren soll. Auf halben Wege statten wir der Liegehalle einen Besuch ab. In einem Gewächshaus unter Palmen und Blattpflanzen liegen die Ärmsten, die Zurückgebliebenen der Kinder. Unter ärztlicher Aufsicht wird versucht, auch diesen den Stempel überstandenen Elends zu nehmen, um auch Ihnen die Vorzüge eines Elternhauses in der Anstalt teilhaftig werden zu lassen. Der große Wirtschaftshof gab uns Veranlassung unser Augenmerk auf den Erhaltungsbetrieb der Anstalt zu lenken.

Unterricht im Garten der D.KLAR-Stiftung

Die große offene Scheune, der gute Viehstall mit 20 Rindern, 9 Pferden, 4 Fohlen, ein großer Geflügelhof, lassen darauf schließen, dass auch in landwirtschaftlicher Beziehung hier eine fachkundige Hand waltet. Nun ging es hinaus aufs freie Feld. Im Augenblick waren wir von einer munteren jungen Schar umgeben. Fritz, Hans und wie sie alle heißen, umringten den Hausvater. Die Kleinsten, welche seiner besonderen Obhut unterstehen, ergriffen freudig die Hand und so wanderten wir hinaus auf den Sportplatz.

Auf dem Sportplatz:

Beim munteren Spiel, Fußball, Handball usw., tummelte sich hier die Jugend der Anstalt. Hier fiel uns direkt auf, dass der scheue Zwang fehlte, welcher sonst den Anstalten dieser Art eigen ist. Frei wie die Jugend sein soll, so tobten sie hier umher. Lange Zeit erfreuten wir uns an der spielenden Jugend. Aber zurück ins Johannishaus, in dessen Erdgeschoss sich das Lehrlingsheim befand.

Im Lehrlingsheim:

Dort befinden sich 37 Jungen, die beim Meister in der Stadt ein Handwerk erlernen. Denn in dieser Beziehung macht eben das Johannishaus eine Ausnahme. Die Zöglinge brauchen nicht immer nach dem 14. Lebensjahr auf das Land zum Bauer, sondern sie können ihren Fähigkeiten entsprechend ein Handwerk erlernen. Freundlich mutet uns das sogenannte Gildenzimmer an, in welchem jeder Lehrling ein Band seines Handwerkes zu hängen hat, gleich den Korpsstudenten. Sogar die Landbauschule können die Zöglinge besuchen. Unser Weg führt weiter in die Abteilung der älteren Leute.

Die Abteilung der älteren Leute:

In dieser Abteilung haben 43 Trinker, Sozialrentner und Kriegsbeschädigte ein Asyl gefunden. Zum Teil aus eigenem Trieb, zum Teil wurden sie aus dem größtem Elend herausgeholt. Sogar Wilhelm, unser Freund vom Wohlfahrtsamt, wurde uns vorgestellt.

Ausgemergelte Gestalten, denen die Not des Lebens aber auch die Ausnutzung der Arbeitskraft tiefe Rinnen in die Gesichtszüge gemeißelt hatte, Opfer des großen Völkermordens, jung an Jahren, gebrochen an Leib und Seele, sie alle fanden Zuflucht hier. Nach unserer Überzeugung waren sie alle hier gut aufgehoben.

Der Rundgang ist beendet. Nur eines haben wir vermisst. Eine Turnhalle für körperliche Ertüchtigung der Jugend. Ein heimlicher Wunsch des Hausvaters, hoffen wir, dass sich auch dieser Wunsch bald erfüllt. Nun noch ein Viertelstündchen bei der Hauswärterin und einige Zahlen.

Die Stiftung besteht 29 Jahre. Sie beherbergt 138 Personen, außerdem sind noch 130 Zöglinge außerhalb der Anstalt ihrer Obhut unterstellt. Irgendwelche Zuschüsse gibt es nicht. Sie muss sich erhalten durch Pflegegelder, Renten und Einnahmen aus der Landwirtschaft.

Es werden 280 Morgen Land bearbeitet. Wahrlich ein Stück Leistung. Wir verabschieden uns von unserm freundlichen Führer, besteigen unser Fuhrwerk und eilen heim. Wir haben viel gesehen. Gutes und viel Elend. Aber eigener Herd ist Goldes wert.“

Zum Stifter Emil KLAR:

Dr. Emil KLAR

„Emil“ Otto KLAR wurde am 31.10.1857 in Dürrlettel im Kreis Meseritz in der früheren Provinz Posen geboren. Er war der Sohn des Lehrers Adolf KLAR und Sophie geb. LEONHARD. In der Zeit von 1868-1877 besuchte er das Kgl. Gymnasium zu Meseritz im Wartheland. An den Universitäten Breslau und Halle a. d. Saale, studierte er Thoelogie. In Posen bestand er 1881 und 1882 die beiden theologischen Prüfungen. Seit dem 28.03.1882 war er Pastor am Pfarramt zu Kreuz an der Ostbahn. In Schönebeck an der Elbe, heiratete er Christiane Louise Marie GUISCHARD. Die Ehe hielt nur kurz an, da die Ehefrau bereits 1891 in Posen verstarb.

Im Zeitraum 1888-1895, war er Pastor am Posener Diakonissenhaus, das unter seiner Leitung mehrere Anstalten in der damaligen Provinz Posen übernahm. Darunter befand sich das „Neu“-gegründete Johanniter-Krankenhaus zu Kolmar. Seiner Initiative ist auch der große Erweiterungsbau des alten Diakonissenhauses an der Königstraße in Posen zu verdanken. Im November des Jahres 1892 heiratete er als Witwer in Königsberg die Professorentochter „Helene“ Ludmilla Emilie GRAU. In dem Zeitraum 1884-1908 wurden insgesamt zehn Kinder des Paares geboren.

Helene KLAR geb. GRAU

Am 25.06.1895 erfolgte die Versetzung als Superintendent nach Belgard an der Persante, wo sein Wirken auch im Zeichen des „Blauen Kreuzes“ stand. Dort gründete und leitete er vier Anstalten der Inneren Mission, darunter zwei Trinkerheilanstalten, das „Johannis-Haus“ und das „Maria-Martha-Haus“. Außerdem das Erziehungs-und Lehrlingsheim „D.Klar-Stiftung“.

Er wurde von den evangelisch-kirchlichen Blaukreuzvereinen Deutschlands, zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Am 17.06.1923 erfolgte die Ehrung der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald mit der Doktorwürde. Jedoch im gleichen Jahr, am 31.07.1923, verstarb er im Stettiner Bethanien Krankenhaus in Stettin an den Folgen einer Krebserkrankung. Seine letzte Ruhe fand er seit dem auf einem Belgarder Friedhof.

 

Ruhestätte des Superintendenten Emil KLAR in Belgard

(Quellen dazu: Das Deutsche Geschlechterbuch, Band 185, Seite 77 ff. ; Wöhrmann, D. Emil Klar, in „Aus dem Lande Belgard“, 5. Jahrgang 1926, Nr.4, S. 15 f., Bilder der Stiftung und der Ruhestätte aus der privaten Sammlung, Bilder von Emil KLAR und Ehefrau aus dem Geschlechterbuch, Band 185, nach Seite 80)