Landwirtschaftlicher Unterricht in Schivelbein

von Tino Runge

Schivelbeins Schulgeschichte blickt auf eine lange Tradition zurück, gab es doch bereits um 1510 eine Lateinschule in Schivelbein. Bildung war in Preußen hoch angesehen und sollte jedem Bürger zugänglich gemacht werden. So gab es bereits um 1861 eine Knaben-und Mädchenoberschule mit jeweils zwei Klassen.

Im darauffolgenden Jahr 1864 hatten die Stadtabgeordneten die Einrichtung eines Gymnasiums beschlossen. Der Beschluss konnte aber nicht in die Tat umgesetzt werden, da der Kultusminister seine Zustimmung versagte. Jedoch konnte dann 14 Jahre später die Einrichtung einer Landwirtschaftsschule vermeldet werden. Sie wurde am 29. April 1878 eröffnet. Es handelte sich dabei um eine öffentliche höhere Lehranstalt der Stadt Schivelbein, welche in der Friedrichstraße zu finden war.

Bild aus der Zeit vor 1945, Privatsammlung Tino Runge
Bild aus der Zeit vor 1945, Privatsammlung Tino Runge

 

 

 

 

 

Die Schule wurde nach den vom Landwirtschafts-und Kultusminister festgesetzten Grundsätzen eingerichtet. Ihre Zeugnisse waren den entsprechenden Zeugnissen anderer höherer Schulen gleichgestellt. Voraussetzung war die Bereitschaft der städtischen Körperschaften, die finanzielle Verantwortlichkeit für die Bereitstellung und Unterhaltung des Schulgebäudes zu übernehmen.

Ziel war es den „Zöglingen“ sowohl eine tüchtige allgemeine wie eine gründliche landwirtschaftliche Fachbildung zu vermitteln. Dies sollte in 6 Klassen erreicht werden, die den Klassen Sexta bis Untersekunda einer zum Abitur führenden Schule entsprachen.

Es wurde dabei in den Klassen VI, V und IV nach dem Lehrplan der Realschulen unterrichtet, während die eigentliche Fachschule mit den Fächern Physik, Chemie, Landwirtschaft, Tierheilkunde und Obstbau die Klassen III, II und I umfasste. Die Pflichtfremdsprache war Französisch. Englisch wurde in den Fachklassen wahlfrei angeboten, ebenfalls konnte zeitweise Latein ab Klasse V betrieben werden.

Der Unterricht wurde in zwei Bereiche gegliedert, die sowohl allgemeinbildende als auch speziell auf die Landwirtschaft bezogene Fächer enthielten.

1.Teil: Unterricht in Religion, Deutsch, Geschichte, Mathematik und Rechnen, Naturbeschreibung, Schreiben, Zeichnen, Feldmessen, Turnen und Singen.

2.Teil: Unterricht in landwirtschaftlich bezogenen Fächern mit praxisnaher Verbindung. Praktische Tätigkeit vollzog sich zunächst im landwirtschaftlichen Schulgarten.

Dort wurden die handelsüblichen Gemüse-und Getreidesorten, verschiedene Kartoffelsorten, Rüben und Hülsenfrüchte angebaut.

Die Schüler sollten mit Bodenbearbeitung, Düngung, Saat, Pflege und Ernte vertraut gemacht werden. Zudem wurden praktische Anleitungen in Fischzucht und beim Bienenstand vermittelt.

Am 18.Mai 1881 erhielt die Schule zunächst die vorläufige, am 09.Juni 1887 dann die endgültige Erlaubnis zur Ausstellung von Arbeitszeugnissen.

Erster Direktor der neu errichteten Landwirtschaftsschule wurde Dr.A. Gruber (siehe Bild)gewählt, der bis dahin erster Lehrer an der Landwirtschaftsschule in Marienberg war. Fortan sollte dieser den Unterricht mit den Lehrern Dr. Zechlin, Büttner, Dr. Sachse, Kleist und Wagenknecht in Schivelbein gestalten.

Die Karte zeigt den Direktor Dr. Alfred Gruber auf einer gelaufenen Ansichtskarte. Bild aus der Zeit vor 1945, Privatsammlung Tino Runge

(Der Dr. der Philosophie,  Direktor Alfred Gruber war um 1845 in Halle an der Saale geboren. Verheiratet war er mit Maria geb. Beyer. In den Jahren 1878, 1883 und 1887 werden drei Kinder des Paares in Schivelbein geboren. Dr. Gruber starb am 28. November 1921 im Alter von 76 Jahren in Schivelbein.)

Das neue Gebäude konnte erst ab dem 14. Oktober 1882 vollständig genutzt werden. Zuvor mussten noch vereinzelt Räumlichkeiten in der Knabenschule in der Polziner Straße genutzt werden.

An der Finanzierung der neuen Schule beteiligte sich neben umliegenden Gutsbesitzern auch Professor Rudolf Virchow mit einer großzügigen Summe.

Das Lehrerkollegium bestand im Jahre 1910 aus, dem Direktor Dr. A. Gruber, Prof. v. Ankum, Prof. Busch, Oberlehrer Dörr, Oberlehrer Taurke, Oberlehrer Biedermann, Zeichenlehrer Wagenknecht, Mittelschullehrer Kroggel, Mittelschullehrer Dieke, den wissenschaftlichem Hilfslehrer Bothen und dem Kreistierarzt Bernhard.

Schulbesuche in den Schuljahren 1916/17 von183 Schülern; 1917/18 von 204 Schülern; 1918/19 von 209 Schülern; 1919/20 von 236 Schülern. Ab dem 01.02.1920 besuchten in dem Jahr 245 Schüler die Schivelbeiner Landwirtschaftsschule.

Für den Besuch der Schule musste ein Schulgeld bezahlt werden, das im Jahre 1886 für die Vorklasse 12 M und für die Fachklasse 20M vierteljährlich und im Jahre 1919 für die Vorklasse 180M und für die Fachklasse 200M jährlich betrug. Ende des Schuljahres 1922/23 mussten 4000M bzw. 4800M vierteljährlich entrichtet werden. Im Schuljahr 1923/24 wurde das Schulgeld monatlich erhoben und stieg im Laufe des Schuljahres von je ½ Ztr. Roggen für die Monate April bis September bis zu 8 Goldmark für die Zeit von Februar bis April 1924. Im Schuljahr 1925/26 betrug es 12,50 Goldmark pro Monat, wobei der Bruder eines Schülers 10% und ein weiterer Bruder 50% Ermäßigung erhielten.

1926/27 sollte das letzte Schuljahr dieser Schule werden. Folgendes Lehrerkollegium unterrichtete zu der Zeit an der Schule:

Studiendirektor Paul Lott, Studienrat Johannes Saß, Studienrat Franz Zagermann, Studienrat Gustav Lingelbach, Oberschullehrer Max Dieke, Oberschullehrer Viktor Schobelt, Prorektor Dr. Wilhelm Koeppen, Studienassessor Gerhard Moldenhauer und der Tierarzt Herbert Schmidt.

Das letzte Schlussexamen der Landwirtschaftsschule, an dem 27 Schüler der letzten landwirtschaftlichen Fachklasse teilnahmen, wurde am 16. Und 17. März 1927 abgehalten. Damit hatten in den 49 Jahren seit Gründung der Schule 1110 Schüler die Abschlussprüfung bestanden.

Am 17. Juli 1924 fand zwischen dem Regierungsrat Kallies vom Provinzialkollegium Stettin und dem Regierungs-und Schulrat Templin einerseits sowie Vertretern der Stadt, des Kuratoriums und dem Direktor der Schule andererseits die erste Besprechung über die Umwandlung der Landwirtschaftsschule in eine allgemeine höhere Lehranstalt statt. Dieses Gespräch ist offensichtlich sehr erfolgreich verlaufen, denn schon drei Monate später, am 25. Oktober 1924, wurde in einem Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten der Abbau der Fachklassen festgelegt. Begonnen wurde damit Ostern 1925.

Die eigentliche Umwandlung der Schule in ein Gymnasium wurde durch einen Erlass des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 25. März 1925 in Gang gesetzt, in dem die Unterklassen der Landwirtschaftsschule als Klassen einer „Realschule i.E.“ (im Entstehen) anerkannt wurden.

Mit dem Erlass vom 28. März 1927 wurde der Schule die Anerkennung als Reform-Realgymnasium ab Ostern 1927 erteilt. Später wurde das Gymnasium unter dem Namen „Rudolf-Virchow Gymnasium“ bekannt.

Landwirtschaftliche Ausbildung von 1927-1945

Die landwirtschaftliche Ausbildung wurde fortan in der an der landwirtschaftlichen „Winter“-schule fortgesetzt. Die neue Schule, zunächst auch Winterschule genannt, war mit einer Wirtschaftsberatungsstelle verbunden.

Die Schule in der damaligen Glasenapp Straße 14. Bild aus der Zeit vor 1945, Privatsammlung Tino Runge

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufgebaut war die Schule wie folgt. Im Erdgeschoss lagen die Unterrichts-, Beratungs-und Büroräume. Im Untergeschoss waren Koch-und andere Fachräume. Das Obergeschoss enthielt Wohnungen für den Schulleiter und weitere Lehrkräfte.

Der Besuch der Schule war freiwillig, es wurde von den Schülern jedoch ein Schulgeld von 60,00 RM je halbes Jahr erhoben. 1925 wurde der Schule eine Mädchenabteilung angegliedert. Wie die männliche Jugend sollte auch die künftige bäuerliche Hausfrau eine Fachausbildung erhalten. Die Lehrgänge liefen über ein halbes Jahr. Der Unterricht war ganztägig, er wurde von Lehrerinnen der landwirtschaftlichen Haushaltskunde erteilt und erstreckte sich auf Kochen, Backen, Nähen, Melken, Milchverarbeitung, Geflügelhaltung, Bewirtschaftung des Hausgartens, Ernährungslehre und Säuglingspflege.

Bild aus der Zeit vor 1945, Privatsammlung Tino Runge

 

Die Leitung übernahm die Haushaltslehrerin Karola Flotow, der 1927 Hildegard Friedrich folgte. 1928 kam die Haushaltslehrerin Reichelt hinzu. Daneben unterrichteten die beiden Lehrer der Winterschule und weitere Fachkräfte.

 

 

Bild aus der Zeit vor 1945, Privatsammlung Tino Runge

 

Bekannt ist leider nur neben dem Direktor Herbert Müller (mit verschränkten Beinen), der in der oberen Reihe an 2. Position stehende Paul Runge. Er stammte aus Völzkow bei Schivelbein.

 

 

Bild aus der Zeit vor 1945, Privatsammlung Tino Runge

Ein Ausflug mit der Landwirtschaftsschule, wohl auch 1933 – 1937. Erkennbar wieder mit verschränkten Beinen, der Direktor der Schule, Herbert Müller.

Er wurde 1937 an die Landwirtschaftsschule nach Schlawe versetzt.

 

 

Ihm folgte Landwirtschaftsrat Wilhelm Buchholz. Er war um 1900 geboren und leitete die Schule bis 1944. Die Schule wurde nach dem „Wegweiser“ im Jahre 1938 von 93 Schülern, 71 männlichen und 22 weiblichen,  besucht welche überwiegend 16-18 Jahre alt waren.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Schulbetrieb weitgehend fortgeführt. Auch die männlichen Lehrkräfte blieben der Schule erhalten, bis Direktor Buchholz im Sommer 1944 der Einberufung zum Wehrdienst folgen musste. Erst Anfang 1945 kam mit der Annährung der Roten Armee auch das Ende der Landwirtschaftsschule Schivelbein.

(Quellen, „Der Kreis Belgard“-Aus der Geschichte eines pommerschen Heimatkreises, Wikipedia, Internetplattformen, Maps.Google-Streetview)

Die Schulen heute

 

Die frühere Landwirtschaftsschule und spätere Rudolf-Virchow Gymnasium 2013, welches heute noch als Oberschule genutzt wird. (Bild 2018, Tino Runge)

 

Die Landwirtschaftsschule 2013, heute 2018 steht das Gebäude zum Verkauf. Die vorbeiführende frühere Glasenappstraße  wird im Moment saniert. Bei Ausgrabungen in dem Bereich wurden Münzen aus früheren Zeiten gefunden, welche im Schivelbeiner Schloss ausgestellt werden. (Bild 2018, Tino Runge)

 

Tino Runge