Erlebnisse während der Flucht und Durchreise im Kreisgebiet 1945-1947
Zusammengetragen von Tino Runge
Für viele war das Kreisgebiet oft Zwischenstation auf der Flucht nach Westen. Ziel war eine geglaubte sichere Heimat westlich der Oder. Der Strom der Flüchtlinge aus den Gebieten östlich Pommerns, übte für die pommersche Bevölkerung eine nachhaltige Wirkung aus. Zum ersten Mal wurde damit eine Kriegsfolge sichtbar vor Augen geführt. Dies nahmen viele Menschen zum Anlass, sich Gedanken über die weitere Entwicklung zu machen. Vor allem aber erhielten sie Kenntnis von den Erlebnissen und Schicksalen der Zivilbevölkerung, die mit dem Feind aus dem Osten in Berührung gekommen sind.
Um die Pommern davor zu bewahren, wurde der Zivilbevölkerung geraten alles zusammenzupacken und sich den Trecks anzuschließen. Für jede Gemeinde gab es einen Evakuierungsplan. Es schlossen sich immer mehr zu großen Kolonnen zusammen und wagten die Flucht vor dem gar übermächtig heranwalzenden Feind.
Auch die Bewohner von Tempelburg aus dem Kreis Neustettin treckten, während ein Treck des Ortes in Bad Polzin mit den Russen zusammentraf. Zeugen berichteten, dass alle 10 Minuten einzelne Russen oder kleine Trupps mit vorgehaltener Maschinenpistole plünderten. Es sei täglich zu Erschießungen gekommen. In der ersten Nacht habe es in Bad Polzin 100-200 Leichen gegeben. Der Treck aus Tempelburg hatte sich weit verstreut, bevor alle in ihre Heimatgemeinde zurückkehrten.
Die Gräfin RITTBERG, geb. Gräfin MOLTKE, die Witwe des Gutsbesitzers Friedrich Wilhelm von RITTBERG aus Balfanz, berichtete von ihren Erlebnissen im März 1945 folgendes:
„ In der Nacht vom 01. Auf den 02. März verließen wir, eine evakuierte Lehrerin aus Insterburg, eine Säuglingsschwester, Mamsell, der alte und der junge Förster, die Hühnerfrau und Ich, bei einem furchtbaren Schneesturm Balfanz und fuhren mit einem Gummiwagen mit zwei angespannten Pferden und 2 Belgiern als Kutscher nach Kiekow zu einer Familie von KLEIST. Dort war noch ein Mann, dessen Entschlüssen ich mich anschließen wollte. In der darauffolgenden Nacht wurden auch die Kiekower alarmiert und auch sie mussten ihre Heimat aufgeben. Eine kurze Feier in der dunklen Kirche, von Herrn KLEIST gehalten, sammelte uns noch einmal und festigte in uns das Bewusstsein des in „Gottes Hand Stehens“. So verließen wir in dem Wissen um die Unwandelbarkeit, Allmacht und Führung Gottes auch dieses Haus.
Die Fahrt bei Glatteis und Schneesturm in dem zu schweren Wagen war nicht schön. Aber dennoch kamen wir den anderen Tag mittags in Grüssow bei Frau von SCHAUMANN an. Als wir auf den Hof fuhren, verließen gerade unzählige Treckwagen Grüssow, da dieser Ort für deutsche Truppen geräumt werden sollte. Wir durften aber bleiben. Die von KLEIST fuhren weiter, um den Vorsprung vor den nachdrängenden Russen nicht zu verlieren. Abends um 6 Uhr kam unser 2. Förster angelaufen und sagte, die Russen seien im Anmarsch. Das Geschehen nahm seinen Lauf. Wir gingen alle in den Wald und bald hörte man das Heranbrausen der russischen Panzer. Es dauerte die ganze Nacht an. Sie fuhren an Grüssow vorüber nach Belgard. Man hörte den kurzen Kampf um die Stadt. Nach wenigen Stunden hörte das Schießen auf und wir wussten, Belgard hat sich ergeben. Der kommende Tag blieb ruhig. Trotzdem verbrachten wir die nun folgende Nacht auf im Wald bereitgestellten Leiterwagen. Außer uns waren noch ca. 70 Flüchtlinge in Grüssow.
Am Morgen des 03. März rollten wieder Panzer heran. Um 7:30 Uhr kam der Beamte und berichtete, er habe Grüssow den Russen übergeben und alle Frauen und Kinder sollten in ihre Wohnungen zurückgehen. So waren wir nun Gefangene einer recht großen Kosakeneinheit, die ihr Quartier in Grüssow und dem dazu gehörenden Ganzkow aufgeschlagen hatte. Es dauerte nicht lange und es erschienen die ersten Trupps dieser Kosakeneinheit. Wild und ungebärdig rasten sie durch alle Räume, alle Schubladen wurden umgedreht oder ausgeleert, alle Truhen aufgebrochen, alles herausgerissen, alle Schränke ihres Inhaltes beraubt. Das Unvergessliche, „Frau komm mit!“, gab dauernd Anlass zu furchtbaren Szenen. Die Frauen weinten, die Kinder klammerten sich an ihre Mütter und schrien. Es wurde im Zimmer geschossen, Frauen mit Stühlen geschlagen und mit Gewalt herausgeschleppt. Nachts gingen Russen mit riesigen Leuchtlampen durch alle Räume und suchten sich ihre Opfer. Diese bekamen Schnaps, wurden willig gemacht und keiner wusste eigentlich, was mit ihnen geschah. Alle paar Stunden kamen neue Horden. Immer dasselbe Gebaren, immer dieselbe Angst der Frauen. Auch wir Älteren wurden bedrängt, unserer Uhren und Ringe beraubt und mussten alles was sie wollten ohne Widerrede hergeben. Die jüngeren Mädels nächtigten tagelang auf dem Dach, bekamen das Essen heraufgetragen und Lebensgefahr für alle. So ging es Tag für Tag.
Inzwischen war auch der Hof leer gemacht worden, das Korn abgefahren, das Vieh fortgetrieben, so dass die Essensfrage ein Problem wurde und wir uns auf den Abmarsch vorbereiteten. Nach ca. 10 Tagen gab Frau von SCHAUMANN das Haus frei.
Wir wanderten alle in verschiedene Richtungen der eigenen Heimat zu, einem ungewissen Schicksal entgegen. Nach wenigen Tagen Rast in Belgard, wo wir unseren Beamten gefunden hatten, machten wir uns mit unserem Treckwagen, einem kleinen und einem großen ergatterten Pferd auf den Weg Richtung Balfanz ……… .“
Nach einigen Monaten in der Neustettiner Heimat heißt es weiter. Es war so um den 10. Dezember 1945. „Am Morgen des vierten Tages schlichen wir noch im Dunkeln auf Umwegen auf den Bahnhof, um nicht von polnischen Posten gesehen zu weden. Der Zug erschien auch und wir stiegen wegen Überfülle der Abteile vorne beim Lokführer ein. Dieser wollte uns zuerst mit in seine Wohnung nehmen, übergab uns dann aber auf der Haltstelle Bad Polzin seinen Miträubern. Wir wurden in einen stockdunklen Güterschuppen gesperrt und aller Sachen beraubt, die die Bande gebrauchen konnte. Es blieb uns nur noch sehr wenig. Der Zug nach Schivelbein hatte leider 4 Stunden Aufenthalt in Bad Polzin.
Alle paar Minuten kamen neue Leute in den Schuppen, denen es genauso erging wie uns. Wir behielten alle gleich wenig und waren froh, als mittags endlich der Zug nach Schivelbein abfuhr. Man war den örtlichen Räubern entronnen, nicht ahnend, dass die Kommenden erheblich unangenehmer sein würden,
In Schivelbein wurden wir sehr rührend vom Superintendenten aufgenommen, durften dort, ohne Furcht gefunden zu werden, auf der Erde nächtigen und kamen uns vor, als hätten wir die Freiheit gewonnen.
Der Zug am kommenden Mittag von Schivelbein nach Stettin-Scheune war rasend voll. Wir wollten uns erst einigen Polen anschließen, wurden aber abgedrängt und stiegen in ein Abteil nein, in dem nur wenige Menschen saßen. Kaum hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt, als 3 Leute aufsprangen, 2 Männer und eine Frau und anfingen, uns auszuziehen. Mir wurde mein Pelz entrissen, die restlichen Zlotys abgenommen, mir dann aber in einer in einer merkwürdigen mitleidigen Anwandlung eine grüne warme Polenjoppe anstatt meines langen Pelzes angezogen. So hatte ich wenigstens etwas auf mir. Den Anderen wurde alles fortgenommen: Strickjacke, Mäntel, Handschuhe etc. Ein älterer Mann fing an, laut um Hilfe zu schreien und da wir gerade in eine Station einfuhren, sprangen die Räuber aus dem Abteil heraus und waren unseren Augen entschwunden. Nun ging es ohne besondere Zwischenfälle bis kurz vor Stettin-Scheune. Da erschienen auf den Trittbrettern uniformierte Polen, die mit riesigen Lampen in die Abteile hineinleuchteten und sich nach passenden Opfern umsahen. Bald darauf waren sie bei uns. Als erste wurde ich ausgezogen, abgetastet und da sie wohl gefühlt hatten, dass ich mir etwas auf den Körper gebunden hatte, bis auf das Hemd ausgezogen und meines Geldes beraubt. Die Untersuchungen waren widerlich. Die Abtastungen ohne irgendwelche Hemmungen so gründlich, dass Ihnen nichts entging. In Stettin-Scheune musste alles heraus, gegen 6 Uhr Früh sind wir dort angekommen.“
Else von JOEDEN, Jahrgang 1879, Gutsbesitzerfrau aus Grumsdorf Kreis Neustettin, berichtete über ihre Erlebnisse im besetzten Pommern 1945-1946.
„Ich hatte in meinem Häuschen, dem sogenannten kleinen Gutshaus, 11 Umquartierte, darunter 8 Kinder, im Oktober wurde noch eins geboren. Am 28.02.1945 zogen wir als Letzte aus dem Dorf und begaben uns auf den Treck. Auf der Hauptchaussee Neustettin-Köslin rollten die ersten russischen Panzer heran, als wir in eine Nebenchaussee einbogen in Richtung Grünewald-Groß Tychow. Wir gerieten bald in einen Flüchtlingsstrom hinein und kamen nur so langsam vorwärts. Dicht vor Grünewald hörten wir Flieger über uns surren und nun wurde unser Wagen, in dem wohl deutsche Soldaten vermutet wurden, beschossen.
In Wellen kreisten Flugzeuge über uns. Wir lagen mit den Köpfen in den Betten verborgen, ein grauenhaftes Erlebnis. Schreiende Kinder, betende Mütter, die Geschosse knatterten in den vollbesetzten Wagen hinein. Ein Geschoss expoldierte 10 Meter von uns entfernt im Acker. Wie wird man das vergessen? Diese jammernden Rufe, verwundet, verwundet. Ich griff nach meinem Rotkreuzkoffer. Schon kam ein neuer Angriff. Endlich konnte ich den Verwundeten Tropfen eingeben und Notverbände machen. Ein 10 jähriger Junge lag röchelnd da, einer Frau wurde der Unterarm zerschmettert, eine andere bekam einen Lungenschuss. Sie starb nach 2 Tagen. Tot war nur ein kleiner Hund, der hinter meiner Schwägerin Klara lag. ……
Es war mittlerweile Nacht geworden. Endlich, endlich kamen wir fort. Im nächsten Dorf hieß es, Holz für unseren Trecker besorgen und es zersägen. Eine freundliche Frau kochte Kaffee und wir konnten uns etwas erwärmen und stärken.
Weiterfahrt bis Drenow Kreis Belgard, wo wir in dem geräumigen Gutshaus ein Strohlager fanden und wo unsere Frauen zu Mittag kochen konnten. Kurz vor der nächsten ortschaft saßen wir in einem Morastloch fest. Ich machte mich mit den Treckerfahrern auf den Weg, um Hilfe zu bekommen, da russische Panzer im Anrollen waren. Wir trafen im Walde zwei deutsche Munitionswagen, deren Führer uns auf meine flehentliche Bitte mitnahmen. Im nächsten Dorf befand sich ein deutscher Panzer, der repariert werden sollte. Der Fahrzeugführer ließ sich erbitten uns zu helfen. Am langen Seil schleppte das Ungetüm unseren eigenen Trecker wie ein Spielzeug aus dem Morast heraus. Dann ging es zurück nach Drenow. Dort war inzwischen die verletzte Frau verstorben. Deutsche Soldaten begruben sie im Gutsgarten. Ein stilles Gebet und dann schnell weiter.
Unser nächstes Ziel war das kleine Städtchen Belgard, das wir gegen Abend erreichten. Eine Erfrischung wurde in den Wagen gereicht, dann Weiterfahrt nach Podewils im Kreis Belgard, wo wir nach 11 Uhr ankamen. Ich stieg ab, suchte und fand das Schloss, wo uns bereitwillig Nachtlager auf Sofas und Teppichen zugesagt wurde. Köstlicher Schlaf und am nächsten Tag Ausruhen, stärkte die Erschöpften. Weiterfahrt nach Stolzenberg, von wo aus wir Kolberg, Treptow und die Oderbrücke zu erreichen hofften. Am Horizont verschiedene Feuer, Kanonendonner. Ein Motorradfahrer ruft zu uns: Stolzenberg brennt! Also zurück. Nach unendlicher Mühe gelingt es dem Chauffeur, die 3 Wagen einzeln zu wenden. So kamen wir nach Podewils zurück, wo wir nach Stunden qualvollen Wartens eine Nebenchaussee fanden, auf der wir nach dem 3km entfernten Rarfin Kreis Belgard gelangten. Dies sollte unser Stützpunkt für die nächsten 3 Monate werden.
Im Pfarrhaus konnten wir in 3 Zimmern unterkommen. Es gab eine Strohlage, die mitgebrachten Bettsäcke schafften bald Wärme und wir waren glücklich am Ziel, wenn auch inmitten des Kessels. Wir haben es da gut gehabt. Besonders zuerst reichlich Verpflegung, die unsere tüchtige Wirtin zubereitete. Leider starben in den ersten Tagen drei alte Frauen, darunter Schwägerin Klara im 87. Lebensjahr. Unser Grumsdorfer Pastor JESCHKE, der auch in Rarfin gelandet war, hielt in der kleinen Friedhofskapelle die TRauerfeier ab. Schlichte Holzkreuze bezeichnen auf dem Rarfiner Friedhof die Ruhestätte der Grumsdorfer Flüchtlinge.
Drei Tage nach unserer Ankunft in Rafin rollten die russischen Panzer ins Dorf. Wir machten bald Bekanntschaft mit ihren Insassen. Zu jeder Tages-und Nachtzeit kamen sie in die Häuser, durchwühlten das Gepäck, suchten nach Frauen und Mädchen, die ja Freiwild für sie waren. Mit was für Schrecken fuhr man aus dem Schlaf, wenn die meist Betrunkenen an die Haustüren trommelten. Dann fingen die Kinder ein mörderisches Geschrei an. Das schreckte sie oft ab und sie gingen fort. Unsere Frauen sind dank ihrer Taktik sich akt zu stellen, verschont geblieben. Aber die zwei jungen Mädchen mussten eines Nachts doch mitgehen. Der energische Vater hat sie dann wochenlang auf dem Heuboden versteckt gehalten. Wir hatten alle Heimweh, bekamen keinerlei Nachrichten von der Außenwelt, hörten nur manchmal Gerüchte, sogenannte „Parolen“, die sich selten bewahrheiteten.“
Ein ehemaliger Bewohner Alt Koprieben im Kreis Neustettin schrieb 1951 von seinen schrecklichen Erlebnissen. Er war 1945 etwa 60 Jahre alt. Ein Hinweis vom Verfasser. Vieles zu brutale, aufgeschriebene will ich hier lieber nicht niederschreiben. Beim Lesen der Taten, der Drangsalierungen läuft es einem eiskalt den Rücken herunter.
„Der Russe kann gutmütig sein, aber unvorhergesehen schlägt die Gutmütigkeit um und das Brutale und Tierische tritt erschreckend hervor. Das Entsetzliche vom Russen, ist das Ergreifen und Verschleppen von Männern und das unentwegt Verfolgen von Frauen und Mädchen. Sie wurden auf das Bestialischste vergewaltigt, die oft hintereinander von 20-30 Russen und mehr. Eine Krankenschwester zählte bis zu 70mal, dann verlor sie die Besinnung, sie war auf dem Medizinstuhl festgeschnallt. Das geschah in Schivelbein! Selbst ältere Frauen, sogar eine 80-jährige, entging dem Zugriff der Russen nicht. Im Herbst 1945 wurde in unserem Nachbardorf die kräftige, junge Hausgehilfin im Pfarrhaus, die sich bei nächtlichem Überfall durch Sprung aus dem Fenster gegen die Vergewaltigung wehrte, von Russen mit dem Messer halbtot gestochen. Elf Verletzungen, darunter tiefe Stiche in die Lunge und den Unterleib ließen sie zusammenbrechen. Dennoch wurde sie noch von 2 Russen vergewaltigt. Frau Pfarrer gelang es nur mit größter Mühe, den russischen Kommandanten zu bewegen, die in ihrem Blut liegende Frau ins Krankenhaus fahren zu lassen. Dank des hervorragenden deutschen Chirurgen Dr. DUVE im Johanniterkrankenhaus in Bad Polzin, wurde das junge Mädchen wieder zurechtgeflickt. Sie wurde für Lebzeiten zur Invaliden.“
Weiter schrieb er. „Im Frühjahr 1945 waren meine Tochter und ich mit unserem Treck zur Zwangsarbeit eingefangen worden. Man drohte uns mit Verschleppung nach Sibirien. Nach erschöpfendem Marsch sind wir auf dem Gut Leckow bei Schivelbein angekommen. Meine Tochter musste gleich die Läuferschweine auf dem Hof einfangen. Danach saß sie erschöpft, hungrig und sorgenvoll, erwartend was nun geschehen würde, auf einer Deichselstange. Ein älterer Russe, ein Mongole, fragte sie mit ein paar Brocken deutsch, warum sie so traurig sei, sie antwortete, „Hunger“. Er erwiderte, „oh nix gutt, ich kenne.“ Er verschwand daraufhin und kam mit etwas Brot, Käse und einem Klumpen Butter zurück, wie wir es lange nicht gesehen hatten. Zur gleichen Zeit übergab mir ein polnischer Aufsichtsbeamter reichlich Butter und Brot, zur Verteilung an unsere 36 Kinder im Treck. Wir blieben in Leckow. Mir wurde die Pflege des Federviehs übertragen, nebenher zogen mich die polnischen Hofaufseher zu anderen Arbeiten heran. So musste ich mit meiner Schwester und einem deutschen Bauern im Park das Grab für einen toten Russen schaufeln. Der polnische Kommandant war im Zivilberuf Geschichtsprofessor in Prag. Er leitete das Gut unter Mithilfe des deutschen Besitzers, der noch lange Zeit mit seiner Frau dort bleiben konnte. Wir haben alle eine den Verhältnissen entsprechende gute Zeit in Leckow verlebt. “
Ein Bauer JAHNKE aus Neu-Liepenfier schrieb ebenfalls einen Bericht.
„Etwa am 20.07.1945 kam polnische Miliz aus Polzin mit Fuhrwerken in unser Dorf und holten mich mit den anderen Bauern, darunter auch der Amtsvorsteher, morgens aus dem Bett. Wir wurden auf der Chaussee zusammengetrieben und nach Polzin gefahren. Dort wurden wir zu mindestens 30 Mann aus Bad Polzin und den umliegenden Ortschaften in eine Autogarage gesperrt. Es war dort so eng, dass wir nicht liegen und kaum sitzen konnten. Auch die Verpflegung war unzureichend, sie bestand aus zwei Scheiben Brot und evtl. 1 Tasse Kaffee morgens und abends, sowie etwas Kartoffelsuppe ohne Salz zum Mittag. Austreten durften wir nur 2mal täglich, morgens und abends. Das war besonders furchtbar, weil wir größtenteils an Ruhr erkrankten. Hier mussten wir 3 Wochen verbringen. Beim Austreten, aber auch nachts, wurden wir immer wieder misshandelt. Manche haben so viele Schläge bekommen, dass sie kaum liegen konnten.
Einen gewissen GEHRKE aus Bad Polzin, der angeblich bei der Hitlerjugend gewesen sein sollte, haben die Polen derart misshandelt, dass er daran gestorben ist. Die Miliz hatte ihn herausgeholt und später in einem furchtbar zugerichteten Zustande in die Garage hineingestoßen, dass er sofort hinflog. Er blieb liegen, konnte sich kaum noch rühren und röchelte vor sich hin. Nach einiger Zeit holten ihn die Polen wieder heraus, zurück kam er nicht mehr. Man sagte uns, er sei gestorben.“
Ein zentraler Sammelort für den Abtransport in die UDSSR war u.a. auch der Brauereikeller der Brauerei FUHRMANN in Bad Polzin.
Ein Treck aus Naseband, wurde in Quisbernow gefangenen genommen.
„In Quisbernow bei Polzin wurden wir gefangen genommen. Ein großer Treck, wohl einige hundert Menschen stark. Alle wurden in eine große Feldscheune getrieben. Nachdem die Besatzer unsere Wagen gründlich ausgeplündert hatte, wobei sich zu gleicher Zeit auch Polen einfanden, setzten sich die Plünderungen in der Scheune nach Uhren, Ringen und sonstigen Wertsachen fort. Männer von 17 bis 50 mussten heraustreten. Die Arbeitsfähigen wurden herausgesucht und abgeführt.
Zum Lager Posen berichtet er folgendes. In Posen hat man die Jungen, der Meinung nach Hitlerjungen, von Anderen abgesondert eingesperrt und verhungern lassen. Denn bei einer Tagesration von ¾ Liter Maggisuppe und 300g schlechtem Brot kann ein Mensch nicht leben. Den Verschleppungen folgten auch gleich Vergewaltigungen. Eine junge Frau entfernte sich vom Treck aus Furcht vor den Russen. Ihr Schwiegervater, namens Reinhold KUNDE fand sie später erhängt auf.“
Willi BAATZ, 52 Jahre alt aus dem Neustettiner Ort Wurchow OT Quackow berichtete über seine Flucht, die ihn quer durch den Landkreis Belgard führte.
„Unsere Flucht vom 28.02. bis 11.03.1945 führte uns in die Gegend von Belgard, Schivelbein und Polzin, wo wir bereits am 04.03. von den Russen eingeholt wurden. Sie ließen uns aber vorläufig in Ruhe und schickten uns auf das Gut Popplow. Dort lagen wir in den Arbeiterhäusern und wurden ständig von den Russen bewacht.
Nach einigen Tagen hieß es plötzlich, wir müssten sofort weg, es wäre hier Schusslinie. Wir sollten nach Hause fahren. Die Russen begleiteten uns die Strecke. Aber kaum ware sie fort, da begann für uns bei Groß Jestin der Leidensweg. Zunächst wurden uns die Pferde ausgespannt, die Wagen und wir selbst ausgeplündert. Uns wurde immer wieder mit Erschießen gedroht, wenn wir nicht sofort Uhren und sämtliche Wertsachen abgaben. Kaum hatten wir uns wieder Bespannung beschafft und öfter wurden auch auch schlechtere Pferde eingetauscht, ging das Plündern wieder los. Wo wir übernachteten wurden auch Frauen und Mädchen vergewaltigt, die mir aber immer unbekannt waren.
Am 07.03.1945 wurde mein Bruder Richard BRAATZ, geb.12.11.1895, in Schivelbein einfach vom Treck fortgenommen und von den Russen verschleppt. Er irrte, ohne noch einmal mit seiner Familie zusammen zukommen, in Mecklenburg umher. Er war fast immer krank und ist dann nach langem Leiden am 04.08.1949 in einer Nervenheilanstalt gestorben. Ebenfalls wurde am 08.03.1945 u.a. der Bauer Max DREWS und 5 weitere Personen von angetrunkenen polnischen Soldaten in Neu Schivelbein erschossen, weil von ihm und anderen Leuten Branntwein verlangt wurde, den sie nicht hatten. So kamen wir dann allmählich in der Heimat an, wo es wüst aussah.“